Die Impfdebatte läuft aktuell auf vollen Touren. Geführt wird sie auf zwei unterschiedlichen Ebenen. Zum Einen geht es darum, wie man Impfunwillige umstimmt. Dieses Thema hatte ich in meinem vorherigen Beitrag “Die Ökonomie des (Nicht-)Impfens” behandelt. Zum Anderen geht es darum, den Impfschutz bereits geimpfter Personen durch einen Booster aufzufrischen. Nach der aktuellen Empfehlung der STIKO soll die Auffrischimpfung “in der Regel im Abstand von 6 Monaten zur letzten Impfstoffdosis der Grundimmunisierung erfolgen.” Zudem soll folgenden Personengruppen prioritär eine Auffrischimpfung angeboten werden: Personen mit Immundefizienz, Personen im Alter von ≥ 70 Jahren, BewohnerInnen und Betreute in Einrichtungen der Pflege für alte Menschen sowie Personal in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen.
Entsprechend hat z.B. das Gesundheitsministerium von Schleswig-Holstein festgelegt: “Bei einer Auffrischimpfung muss der Abstand vom gebuchten Termin zur Grundimmunisierung mindestens 6 Monate betragen.” Auch in der Gesellschaft hat sich mittlerweile der Abstand von sechs Monaten zwischen Zweitimpfung und Booster als Faustregel in den Köpfen verankert. Das Problem: Der Abstand von sechs Monaten könnte zu groß sein!
Das ist zumindest das Ergebnis einer aktuellen Studie aus Israel, die in dieser Woche im British Medical Journal veröffentlicht wurde (Israel, A. et al (2021), Elapsed time since BNT162b2 vaccine and risk of SARS-CoV-2 infection: test negative design study, BMJ 2021;375:e067873). Die Untersuchung basiert auf der Auswertung von mehr als 83.000 Personen, die allesamt mit Pfizer-BioNTech geimpft wurden.
Danach lässt sich bereits im Verlauf des 5. und 6. Monats nach Erhalt der zweiten Impfung ein deutlicher Anstieg positiver Testergebnisse bei geimpften Personen (Impfdurchbrüche) feststellen:
- In den ersten drei Monaten (21-89 Tage) nach Erhalt der zweiten Impfung waren lediglich 1,3% der Tests positiv.
- Im Verlauf des fünften Monats nach Erhalt der zweiten Impfung (120-149 Tage) steigt dieser Anteil auf 4,6% an; damit ist die Gefahr eines Impfdurchbruchs bereits zu diesem Zeitraum mehr als dreimal so hoch, wie direkt nach der zweiten Impfung.
- Im Verlauf des sechsten Monats (150-179 Tage) springt der Anteil positiver Test sogar auf 10,3%, …
- … und wenn die Auffrischimpfung – wie aktuell in Deutschland praktiziert – erst nach mehr als sechs Monaten erfolgt, liegt die Wahrscheinlichkeit für einen Impfdurchbruch bereits bei 15,5% (und darüber, je nachdem um wieviel man die sechs Monate überschritten hat).

Diese Beobachtung deckt sich mit der vom RKI gemeldeten sinkenden Impfeffektivität in den vergangenen Wochen. Immerhin scheint der Schutz gegenüber schlimmeren Verläufen der Krankheit länger anzuhalten als der Schutz gegenüber einer Ansteckung. Trotzdem steigt ja für alle Personen – auch vollständig Geimpfte – die Gefährdung für die Gesundheit mit zunehmenden Infektionszahlen an. Von daher braucht es mehr Boost beim Boostern in Form von ausreichenden Impfplätzen, ausreichendem Impfstoff und einer Herabsetzung der Frist für die Auffrischimpfung auf weniger als 6 Monate. Nachfrage nach Boostern gibt es ja genug.