Vor zwanzig Jahren, am 1. Januar 2002, wurde der Euro in zwölf europäischen Staaten als offizielles Zahlungsmittel eingeführt. Pünktlich zum Jubiläum plant die Europäische Zentralbank (EZB) eine Neugestaltung der Euro-Banknoten, welche 2024 abgeschlossen sein soll. Die größte Neuerung der kommenden Jahre wird allerdings nicht das Design der Geldscheine sein, sondern die Einführung eines digitalen Euros. In diesem Blog erläutere ich, weshalb die Einführung von digitalem Zentralbankgeld zwar nur ein kleiner Schritt für den Verbraucher ist, aber ein großer Sprung für die Notenbanken. Dazu gebe ich einen Überblick über die jüngsten Trends in der globalen Entwicklung von digitalem Zentralbankgeld, nenne die wesentlichen Gründe für eine Einführung, diskutiere die Risiken und stelle eine mögliche Lösung vor.
1. Was ist digitales Zentralbankgeld?
Wie der Name schon sagt, handelt es sich bei digitalem Zentralbankgeld, oder Central Bank Digital Currency (CBDC), um eine digitale Banknote, mit der Verbraucher oder Unternehmen bezahlen können (BIS 2020). Für die Nutzer besteht zunächst kein merklicher Unterschied zu den bereits bestehenden bargeldlosen Zahlungsmöglichkeiten. Denn auch bei Überweisungen oder Zahlungen mit Kreditkarte oder App wird ja elektronisches Geld hin- und hergeschoben. Aus Sicht der Geldpolitik und Finanzstabilität gibt es allerdings einen großen Unterschied zwischen den Einlagen auf Girokonten oder Sparbüchern (Giral- oder Buchgeld) und digitalem Zentralbankgeld. Denn während das Giralgeld eine Verbindlichkeit der jeweiligen Geschäftsbank darstellt, ist CBDC eine direkte Verbindlichkeit der Zentralbank. “Genau wie Bargeld wäre ein digitaler Euro Zentralbankgeld und daher mit keinerlei Risiken verbunden – es gäbe kein Liquiditätsrisiko, kein Kreditrisiko, kein Marktrisiko” (Panetta 2021). Giralgeld dagegen hat nur deshalb einen Wert und ist nur deshalb als allgemeines Zahlungsmittel akzeptiert, weil es jederzeit in Zentralbankgeld umgewandelt werden kann (siehe z.B. Panetta 2021). Mit digitalem Zentralbankgeld würde jetzt ein zweiter Anker für das Finanzsystem geschaffen werden, der in den kommenden Jahren und Jahrzehnten mit der fallenden Nachfrage nach Bargeld (siehe Abschnitt 3.1.) spürbar an Bedeutung gewinnen wird.

Aktuell mag sich die Einführung von digitalem Zentralbankgeld noch unnötig oder befremdlich anhören. Allerdings darf man nicht vergessen, dass sich die Zahlungsmittel in der Geschichte der Menschheit kontinuierlich geändert haben: Von Warengeld, wie Salz oder Vieh, über die ersten Münzen im 7. Jahrhundert vor Christus bis zur Erfindung des Papiergeldes in China im 11. Jahrhundert (siehe Würmelig 2021). Digitales Zentralbankgeld wäre lediglich der nächste Eintrag auf dieser Liste.
2. Mehr als 80% der Zentralbanken arbeiten an digitalem Geld
Die Idee für digitales Zentralbankgeld ist nicht neu. Bereits 1987 schlug kein geringerer als Nobelpreisträger James Tobin die Einführung einer “deposited currency” vor: “I think the government should make available to the public a medium with the convenience of deposits and the safety of currency, essentially currency on deposit, transferable in any amount by check or other order.” Allerdings wurde die Idee damals nicht aufgegriffen und geriet für einige Jahrzehnte in Vergessenheit. Das änderte sich erst wieder mit der zunehmenden Beliebtheit von Kryptowährungen wie Bitcoin.
Ab 2015 begannen Zentralbanken also erneut, sich mit CBDCs zu beschäftigen – und diesmal ernsthaft. Frühe interne Studien gab es zu der Zeit in Uruguay (e-peso), den Niederlanden (Dukaton), England, Singapur und Kanada (siehe Auer und Böhme (2020) sowie CBDC Tracker). 2017 war es dann die schwedische Riksbank, die mit ihrem e-krona Projekt die ersten offiziellen Arbeiten an digitalem Zentralbankgeld begann.
Nach und nach kamen weitere Zentralbanken hinzu. Laut einer aktuellen Umfrage der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS) arbeiteten in 2020 nicht weniger als 86% der globalen Zentralbanken in der ein oder anderen Form an einem CBDC-Projekt (siehe Boar und Wehrli 2021). Dieser Anteil liegt um ein Drittel höher als noch in 2017. Zudem weisen die Autoren darauf hin, dass die Zentralbanken, die sich aktuell nicht mit CBDCs beschäftigen, eher aus kleineren Ländern kommen.

Die folgende Grafik gibt eine gute Übersicht über die Entwicklung und den aktuellen Stand der zurzeit wichtigsten CBDC-Aktivitäten globaler Zentralbanken (Stand Juni 2021). Deutlich in orange zu erkennen ist der Sand Dollar, den die Zentralbank der Bahamas im Oktober 2020 als weltweit erste CBDC eingeführt hat. Aktuellere Entwicklungen findet man darüber hinaus jederzeit im CBDC Tracker.

In Europa wurde im Oktober 2020 der Bericht über einen digitalen Euro veröffentlich und im Juni 2021 die Untersuchungsphase eines Projekts zum digitalen Euro eingeläutet. Gegenstand dieser zweijährigen Untersuchung werden wichtige Aspekte im Hinblick auf die Gestaltung und Verteilung sein. Ein weiterer Fokus ist die funktionale Ausgestaltung einer digitalen Währung sowie die Frage, ob die Einführung eines digitalen Euros eine Änderungen des Rechtsrahmens erfordern würde. Die EZB betont gleichzeitig, dass diese Untersuchungsphase einer künftigen Entscheidung, ob ein digitaler Euro eingeführt wird, in keiner Weise vorgreift und dass diese Entscheidung erst zu einem späteren Zeitpunkt getroffen werde. Ich bin mir allerdings sicher: der digitale Euro kommt! In gut fünf Jahren wird uns neben Bargeld auch digitales Zentrankbankgeld zur Verfügung stehen.
3. Sinkende Bargeldnutzung als wesentlicher Treiber
Es gibt eine Vielzahl an Gründen dafür, weshalb sich Zentralbanken mit der Einführung von CBDCs beschäftigen. Für die EZB erklärte Präsidentin Lagarde im Rahmen des digitalen Euro Projektes: “Unsere Arbeit soll sicherstellen, dass Menschen und Unternehmen im digitalen Zeitalter weiterhin Zugang zur sichersten Form von Geld haben: Zentralbankgeld.” Daraus lassen sich die aus meiner Sicht wichtigsten Gründe für CBDCs ableiten: (1) Die rückläufige Nutzung von Bargeld im Zeitalter der Digitalisierung und (2) die wachsende Beliebtheit von Cryptos und anderen privaten digitalen Alternativen. Darüber hinaus gibt es weitere Motive, die je nach Jurisdiktion variieren. Eine Übersicht dazu findet sich z.B. bei Boar und Wehrli (2021).
3.1. Bargeld immer weniger gefragt
Die sinkende Bargeldnutzung wurde bereits von der schwedischen Riksbank 2017 als Hauptgrund für das e-krona Projekt angeführt. Demnach war in dem skandinavischen Land der Anteil an Barzahlungen im Einzelhandel von knapp 40% in 2010 auf etwa 15% in 2016 gefallen. Zudem gaben zwei Drittel der Verbraucher an, dass sie sehr gut ohne Bargeld auskommen können. Kurzum, die Riksbank sah das Risiko, dass “in the not-too-distant future, Sweden may become a society in which cash is no longer generally accepted.” Neben dem fehlenden geldpolitischen Anker könnten sich aus einer bargeldlosen Gesellschaft eine Vielzahl weiterer potenzieller Risiken für den Finanzmarkt ergeben (siehe Riksbank). Dazu zählt auch, dass Wirtschaftssubjekte keinen Zugang mehr zu risikolosen Vermögens- bzw. Zahlungsmitteln haben.
So extrem wie in Schweden ist die Situation in den meisten anderen Ländern derzeit freilich noch nicht. Aber der Trend geht in die gleiche Richtung. Denn überall auf der Welt nimmt der Anteil an Barzahlungen ab (siehe linke Grafik). Auch die SPACE (Study on the payment attitudes of consumers in the euro area) Studie der EZB (2020) bestätigt, dass der Anteil der Bargeld-Transaktionen zwischen 2016 und 2019 in den meisten Ländern der Währungsunion spürbar gesunken ist.

Die Corona-Pandemie hat den Trend zum bargeldlosen Zahlen zusätzlich verschärft. So gaben im Rahmen einer Online-Befragung im Auftrag der Bundesbank im Zeitraum vom 14. bis zum 21. April 2020 knapp 43% der Befragten an, ihr Zahlungsverhalten bei Einkäufen in Ladengeschäften verändert zu haben. Von diesen 43% nutzten 87% seltener Bargeld als zuvor und 68% bezahlten häufiger kontaktlos mit der Karte. Ein ähnliches Bild ergibt sich auf europäischer Ebene. Laut EZB gaben jeweils 40% der befragten Europäer an, dass sie häufiger kontaktlos bezahlten und weniger Bargeld verwendeten als vor der Pandemie. Aus derselben Umfrage geht hervor, dass lediglich 13% der Verbraucher davon ausgehen, nach dem Ende der Pandemie wieder zu ihrem Zahlungsverhalten von vor der Krise zurückzukehren. Der Rest wird also auch dauerhaft weniger Bargeld verwenden.

Mit Frankreich, Belgien, Finnland oder den Niederlanden gibt es im Euroraum bereits einige wichtige Mitgliedsländer, in denen der Anteil der Bargeld-Transaktionen ähnlich niedrig ist, wie in Schweden zu Beginn des e-krona Projektes. Die Geldpolitik tut also gut daran, sich rechtzeitig auf ein Umfeld ohne Bargeld vorzubereiten – auch wenn wir das in Deutschland oder Österreich angesichts der überdurchschnittlich hohen Bargeldnutzung derzeit vielleicht noch nicht nachvollziehen können. Damit sollte auch klar sein, dass das Narrativ, wonach die Zentralbanken uns das Bargeld wegnehmen wollen, völliger Unsinn ist. Stattdessen sind die Gedanken über CBDCs lediglich eine Reaktion der Zentralbanken auf das sich ändernde Zahlungsverhalten der Verbraucher.

3.2. Bitcoin ist nicht die Antwort …
“Bitcoin is not the answer to a cashless society” lautete der Titel eines Op-Ed Artikels, den das ehemalige EZB-Direktoriumsmitglied und der aktuelle Leiter des BIS Innovation Hub, Benoît Cœuré, gemeinsam mit seiner Kollegin Jacqueline Loh im März 2018 veröffentlichte. Er ist ausgesprochen aussagekräftig, da er meiner Meinung nach eine der größten Sorgen der Zentralbanken widerspiegelt, nämlich die Gefahr, dass Cryptos oder andere private Alternativen eines Tages den bargeldlosen Zahlungsmarkt dominieren – wenn die Zentralbanken nicht rechtzeitig handeln.
Vorab ein kurzer Exkurs: Geld erfüllt drei Funktionen. Es dient als (i) Tauschmittel, (ii) Recheneinheit und (iii) als Wertaufbewahrungsmittel. Bitcoin erfüllt aktuell keine dieser Funktionen: Man kann so gut wie nirgends mit Bitcoin zahlen (i), kaum jemand gibt den Preis einer Waschmaschine oder einer Scheibe Brot in Bitcoin an (ii) und für ein Wertaufbewahrungsmittel sind Bitcoin viel zu volatil (auch wenn die Rendite in den vergangenen Jahren natürlich phänomenal war). Aber Geld ist Bitcoin damit also nicht. Die BIS geht in ihrem Jahresbericht noch weiter und verweist mit ungewöhnlich deutlichen Worten auf die Verwendung der Cryptos in illegalen Aktivitäten: “By now, it is clear that cryptocurrencies are speculative assets rather than money, and in many cases are used to facilitate money laundering, ransomware attacks and other financial crimes.”
Neben Cryptos und Stablecoins haben sich zuletzt auch große Technologie-Firmen in den Finanzmärkten breitgemacht. Nach Angaben der BIS vereinen in China lediglich zwei Firmen (ich tippe auf Alipay) 94% des mobilen Zahlungsmarktes auf sich. Eine solche Konzentration birgt erhebliche Risiken für den Verbraucher. Zudem stellt sich die Frage, wie die Anbieter mit der Masse an nebenbei gewonnen Daten umgehen und wie sie diese nutzen. Auch EZB-Direktoriumsmitglied Panetta warnte: “Wir müssen verhindern, dass der europäische Zahlungsverkehr von Anbietern außerhalb Europas beherrscht wird, etwa von globalen Technologiegiganten, die in Zukunft Kunstwährungen anbieten. Das könnte nicht nur die Stabilität des Finanzsystems gefährden, auch Privatpersonen und der Handel wären ein paar wenigen marktbeherrschenden Anbietern ausgesetzt.”
Für die Zentralbanken selber steht nicht weniger auf dem Spiel als der Kontrollverlust über die heimische Währung. Denn wenn die Mehrheit der Transaktionen eines Tages mit privaten “Währungen” von privaten Anbietern durchgeführt wird, hat die Zentralbank keine Kontrolle mehr über Geldmenge oder Zinsen. Dem Finanzmarkt würde damit der risikolose Anker fehlen. Denn digitales Geld (genau wie Geldscheine) hat nur solange einen Wert, wie wir dem Emittenten vertrauen. Und während das Vertrauen gegenüber Zentralbanken sehr hoch ist (zumindest das Vertrauen, dass sie ihren Verbindlichkeiten nachkommen), kann man das über die meisten privaten Anbieter wohl nicht mit derselben Überzeugung sagen.
Die Zentralbanken müssen also reagieren und den Verbrauchern und Unternehmen ihr eigenes digitales Geld zur Verfügung stellen. Andernfalls droht die Gefahr, dass private Anbieter den digitalen Zahlungsmarkt irgendwann unter sich aufteilen. Daran, dass es eine steigende Nachfrage nach bargeldlosen bzw. digitalen Zahlungsformen gibt, kann es schließlich keinen Zweifel geben. Und auch wenn diese Gefahr aktuell noch überzogen erscheint, ist es richtig, dass die Projekte begonnen haben. Denn, wie Cœuré im September noch einmal richtig anmerkte: “CBDCs will take years to be rolled out, while stablecoins and cryptoassets are already here. This makes it even more urgent to start.“
4. Risiken für die Geschäftsbanken
Ein Grund, weshalb der Einführung von digitalem Zentralbankgeld eine längere Planungsphase vorausgeht, ist der potenziell negative Einfluss auf die Geschäftsbanken (hinzu kommen natürlich rechtliche und technische Fragen der Umsetzung, auf die ich hier aber nicht eingehen werde). Zwei Gefahren stehen dabei im Vordergrund (siehe BIS):
- Private Haushalte könnten ihre Einlagen (Bargeld) von den Geschäftsbanken abziehen und in digitales Zentralbankgeld umwandeln, welches auf einem Konto bei der Zentralbank liegt. Als Folge müssten sich die Geschäftsbanken alternative und häufig teurere und weniger stabile Formen der Refinanzierung suchen.
- In Zeiten von Finanzmarktkrisen oder Rezessionen könnten sich daraus regelrechte “Bank-Runs” entwickeln, da die Sparer ihr Geld lieber in sicherem Zentralbankgeld (digital oder bar) halten als in Form von Buchgeld, welches ja eine Verbindlichkeit der jeweiligen Geschäftsbank darstellt und damit riskanter ist. Mit dem Einlagensicherungsfonds versucht die Politik der bereits jetzt bestehenden Gefahr von Bank-Runs entgegenzuwirken – und das meist mit Erfolg. Allerdings werden sich einige an den 5. Oktober 2008 erinnern, als Kanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück den Sparern – trotz Sicherungsfonds – zusichern mussten, dass ihre Einlagen sicher sind … Wenn es nun mit CBDCs die einfache Möglichkeit gibt, die Spareinlagen in eine andere – aber sicherere – Form digitalen Geldes zu überführen (anstatt es in Form von Bargeld unter der Matratze zu verstecken), dürfte diese Gefahr umso größer und realer sein.
Sofern man diesem Risiko bei der Ausgestaltung der CBDCs nicht entgegenwirkt, könnte das gravierende Auswirkungen auf die Geschäftsbanken haben. Denn in Deutschland machen täglich fällige Einlagen nicht weniger als 36% der Verbindlichkeiten des Bankensektors aus; zählt man Einlagen mit vereinbarter Laufzeit bzw. Kündigungsfrist hinzu, sind es sogar 53%. In der Eurozone insgesamt liegen diese Werte mit 29% bzw. 45% zwar etwas niedriger, aber auch dort spielen Einlagen die entscheidende Rolle für das Funding der Geschäftsbanken. Würde diese Quelle wegbrechen, indem Sparer ihre Guthaben in digitales Zentralbankgeld umschichten, hätte das zwangsläufig erhebliche Folgen für unsere Bankenlandschaft und den Finanzmarkt. Für Verbraucher und Unternehmen bedeutete das eine geringere Verfügbarkeit von und höhere Kosten für Kredite. Darüber hinaus würden zahlreiche Geschäftsbanken pleite gehen. Um die Vorteile aus der bestehenden Aufgabenteilung zwischen Geschäftsbanken und Zentralbanken nicht zu gefährden, rät die Bundesbank (2021) deshalb auch dazu, die Kreditwirtschaft von Beginn an in die Diskussion rund um die Ausgestaltung eines Digitalen Euro einzubeziehen. Denn der Bedeutungsverlust von Banken als Intermediäre im Finanzsystem ist ein Szenario, das die Geldpolitik in jedem Fall verhindern muss und verhindern möchte.

5. Digitales Zentralbankgeld nur als Zahlungsmittel
Eine Lösung dieses Problems kristallisiert sich bereits heraus. Sie soll im Wesentlichen so aussehen, dass das digitale Zentralbankgeld vor allem als Zahlungsmittel dient und nicht als Wertaufbewahrungsmittel. Damit würde sich CBDC am Bargeld orientieren, denn auch letzteres wird hauptsächlich zu Zahlungszwecken gehalten (siehe Auer und Böhme 2021). Wenn das gelingt, würde auch das Risiko für die Geschäftsbanken reduziert, zumal die Verbraucher kaum Geld von ihren Konten abheben, sondern vor allem ihr Bargeld durch CBDCs ersetzen. Aber wie könnte dieses Ziel, wonach CBDCs lediglich Zahlungs- und keine Wertaufbewahrungsmittel sind, erreicht werden?
Eine Möglichkeit bestünde darin, auf digitales Zentralbankgeld niedrigere Zinsen zu zahlen als auf Einlagen bei Geschäftsbanken (siehe Bindseil 2020); im aktuellen Umfeld beinhaltete dies auch negative Zinsen. Dadurch hätten die Sparer keinen Anreiz, unnötig große Beträge in CBDC umzuwandeln und die Einlagen bei den Geschäftsbanken blieben hoch. Im Falle von Finanzmarktkrisen könnte allerdings die Strafe inform der niedrigeren Zinsen nicht groß genug sein um Sparer davon abzuhalten, ihre Einlagen von den Geschäftsbanken abzuziehen und bei der Zentralbank in Sicherheit zu bringen. Auch aus diesem Grund scheint die präferierte Lösung zu sein, dass jede Person digitales Zentralbankgeld nur bis zu einer bestimmten Höhe halten darf. Im Gespräch ist derzeit eine Obergrenze von 3.000 EUR pro Person (siehe z.B. Auer und Böhme (2021) oder Bundesbank (2021)).
Wenn alle 83 Mio. Deutschen 3.000 EUR als CBDC halten würden, ergäbe das eine Summe von knapp 250 Mrd. EUR. Das wiederum entspräche 9,3% der täglich fälligen Einlagen bei Banken oder 3,3% der konsolidierten Bilanzsumme. In Wirklichkeit wäre der Betrag aber sicherlich kleiner. Erstens, halten die Haushalte aktuell ja auch jetzt schon Bargeld, sodass nicht die kompletten 3.000 EUR von Bankkonten kommen. Zweitens wird es nicht 83 Mio. CBDC-Konten geben, da die Bevölkerungszahl unter anderem rund 10 Mio. Kinder, die jünger als 13 Jahre sind, enthält. Und drittens verfügen viele Haushalte gar nicht über 3.000 EUR, die sie ständig in Form von digitalem Zentralbankgeld halten können! So haben nach Angaben der Bundesbank (2019) 80% der Haushalte in Deutschland (Haushalte insgesamt, nicht einzelne Personen!) weniger als 2.300 EUR auf ihren Girokonten …

Mithilfe einer Obergrenze (die letztendlich auch geringer ausfallen kann als 3.000 EUR) sollte es also gelingen, den potenziell negativen Einfluss von digitalem Zentralbankgeld auf das Refinanzierungsmodell der Geschäftsbanken in Grenzen zu halten. Ganz reibungslos wird es für die Banken zwar auch so nicht verlaufen, aber die Alternative (= Tatenlosigkeit der Zentralbanken) wäre aller Wahrscheinlichkeit nach schlimmer: “Banks are worried about the implications of CBDCs for customer deposits. Central banks are mindful of these concerns and are working on answers. They see banks as part of future CBDC systems. But make no mistake: global stablecoins, DeFi platforms and big tech firms will challenge banks’ models regardless. ” (Cœuré).
Fazit: Ein kleiner Schritt für den Verbraucher, aber ein großer Sprung für die Zentralbanken
Dem digitalen Zentralbankgeld gehört die Zukunft. Weltweit arbeiten Notenbanken fieberhaft daran, in absehbarer Zeit diesen nächsten Schritt zu gehen. Der Sinn und Nutzen von CBDCs ergibt sich freilich erst, wenn man erkennt, dass dieses neue Geld sowohl eine Investition in die Zukunft als auch eine Absicherung der Zentralbanken gegen bestimmte Risikoszenarien darstellt. Mit den Worten von Panetta: “Dass manche Skeptiker den Nutzen eines digitalen Euro aktuell nicht erkennen, ist nicht verwunderlich. Die Aufgabe öffentlicher Institutionen ist es aber, sich mit den Herausforderungen der Zukunft zu befassen und sich frühzeitig darauf vorzubereiten.“
Dank der laufenden Pilot-Projekte verschiedener Zentralbanken können die Wirtschaftssubjekte und Finanzmarktteilnehmer einer Zukunft, in der Bargeld nur noch ein Randdassein fristet, entspannter entgegensehen. Anstatt die Anstrengungen der Zentralbanken als unnötig zu kritisieren sollten wir alle dankbar sein, dass sie sich so rechtzeitig auf diesen Fall vorbereiten; denn üblicherweise mahlen die Mühlen der Bürokratie ja deutlich langsamer. Dass es diesmal anders ist, haben wir zweifellos der sprunghaft gestiegenen Beliebtheit von Bitcoin und Co. zu verdanken. Dann erst dadurch wurde vielen Entscheidungsträgern die Augen geöffnet. Konkurrenz belebt eben das Geschäft.
Während die Entwicklung von CBDCs also eine wichtige Innovation für die Zentralbanken darstellt, dürften die Verbraucher kaum Veränderungen bemerken. Möglicherweise ist der einzig nötige Schritt die Eröffnung eines zusätzlichen Kontos oder Wallets, auf dem das digitale Zentralbankgeld “gelagert” wird (token-based CBDCs kommen aus meiner Sicht nicht infrage, da man mit ihnen weder die Obergrenzen von 3.000 EUR durchsetzen noch illegale Aktivitäten aufdecken kann). Dieses Konto ist entweder bei der Geschäftsbank (Intermediate CBDC) oder direkt bei der Zentralbank (Hybrid CBDC) angesiedelt. Doch das bekommen die Verbraucher gar nicht mit, zumal sämtliche kundennahen Dienstleistungen weiterhin über die Geschäftsbanken oder andere Private Service Providers (PSP) abgewickelt werden. Die Einführung von digitalem Zentralbankgeld ist damit zwar nur ein kleiner Schritt für den Verbraucher, aber ein großer Sprung für die Zentralbanken.
