Was ist mit dem Tankrabatt passiert?

Nach meinen Berechnungen landen aktuell 47% (Super) bzw. 56% (Diesel) des Tankrabatts bei den Mineralölkonzernen. Und das, nachdem diese auch zuvor schon zu den großen Profiteuren des Ukraine-Krieges gezählt haben.

Anfang des Monats, trat der Tankrabatt (“Befristete Senkung der Energiesteuer für Kraftstoffe im Straßenverkehr“) in Kraft. Um die Verbraucherinnen und Verbraucher angesichts stark gestiegener Energiekosten zu entlasten, wurden die Energiesteuern für Superbenzin um 29,55 ct. pro Liter und für Diesel-Kraftstoffe um 14,04 ct. pro Liter gesenkt. Inclusive der fälligen Mehrwertsteuer sollten somit die Preise an den Tankstellen um 35,2 ct. pro Liter (Super) bzw. um 16,7 ct. pro Liter (Diesel) zurückgehen. Davon ist aber auch heute, neun Tage nach dem Beginn der Steuersenkung, nicht viel beim Verbraucher angekommen. Bevor wir die Ursachen dafür diskutieren, zunächst ein Exkurs:

Was beeinflusst die Benzinpreise?

Die Preise, die wir an der Tankstelle zahlen, sind das Ergebnis verschiedener Faktoren. Die wichtigsten sind

  • Der Rohölpreis
  • Der EUR-USD Wechselkurs (da der Rohölpreis üblicherweise in USD denominiert ist)
  • Die Raffineriemarge (der sogenannte crack spread)
  • Abgaben und Steuern (19% MwSt, Energiesteuer, CO2-Abgabe).
  • Transportkosten und andere Kosten.

Die folgenden Grafiken zeigen, wie stark diese Komponenten zum Anstieg der Benzinpreise im Zuge des Ukraine-Krieges beigetragen haben (“Ölpreis” ist der bereits in Euro umgerechnete Brent-Preis pro Liter. “Steuern und Abgaben” beinhalten MwSt, Energiesteuer und CO2-Abgabe). Man erkennt, dass das Gros der Preissteigerungen zwischen Anfang Januar und Ende Mai auf den Anstieg der Rohölpreise zurückzuführen ist. Gleichzeitig weiteten sich aber auch die Raffineriemargen deutlich aus. Dabei muss man wissen, dass sich auch die Raffinerien zum Großteil im Besitz der großen Mineralölfirmen befinden. Der Anstieg der Steuern und Abgaben ist allein auf höhere MwSt-Einnahmen des Staates aufgrund der gestiegenen Preise zurückzuführen.

Quelle: Eigene Berechnungen; Daten vom ADAC, Bundesfinanzministerium, Statistisches Bundesamt.

Wo ist der Tankrabatt geblieben?

Damit kommen wir zurück zum Tankrabatt. Die folgende Grafik zeigt, dass die Benzinpreise Anfang Juni durchaus gefallen sind – allerdings nur, nach einem kräftigen Anstieg in der letzten Mai-Woche. Zudem haben die Preise auch in den vergangenen Tagen wieder nach oben tendiert.

Quelle: Dashboard Deutschland

Nachfolgend habe ich mir die Entwicklung der einzelnen Benzinpreiskomponenten einmal genauer angesehen. Um dabei zu verhindern, dass die möglicherweise “strategisch” erfolgten Preiserhöhungen in der zweiten Monatshälfte die Daten verzerren, ist mein Referenzdatum Mitte Mai, also einige Tage bevor der die Senkung der Energiesteuer im Parlament verabschiedet wurde.

Das Ergebnis der Analyse ist ebenso eindeutig wie ernüchternd: Beim Super-Benzin kommen von der Steuersenkung in Höhe von 35,2 ct. pro Liter lediglich 41% beim Endverbraucher an (der Benzinpreis verringerte sich zwischen dem 16.5. und dem 10.6. von 2,13 auf 1,99 EUR pro Liter). Weitere 12% der Steuersenkung (4,2 ct. pro Liter) wurden das Opfer höherer Ölpreise, welche seit Mitte Mai deutlich angezogen haben. Die restlichen 17 ct. pro Liter – oder 47% des Tankrabattes – sind damit in der ein oder anderen Form in die Taschen der Mineralölkonzerne gewandert.

Beim Diesel-Kraftstoff ist das Ergebnis noch erschreckender: Von den Steuersenkungen in Höhe von 16,7ct. pro Liter erreichen den Endverbraucher lediglich 19% (Preise sanken von 2,03 auf 2,00 EUR pro Liter). Der Ölpreis fraß auch hier 4,2 ct. der Steuersenkung auf, sodass am Ende sagenhafte 56% des Tankrabattes (9ct. pro Liter) bei den Mineralölkonzernen landen. Das ist – um es vorsichtig auszudrücken – sicherlich nicht im Sinne des Erfinders.

Vergleich der Preise zwischen dem 16.5. und 10.6.2022.
Quelle: Eigene Berechnungen; Daten vom ADAC, Bundesfinanzministerium, Statistisches Bundesamt.

Was können Regierung oder Kartellamt tun?

Angesichts des starken öffentlichen Drucks würde ich erwarten, dass die Mineralölkonzerne spätestens Anfang nächster Woche die Preise an den Tankstellen deutlicher senken. Das heisst weiterhin nicht, dass sie vorhaben, den gesamten Tankrabatt weiterzugeben und es bedeutet auch nicht, dass die Preise in den kommenden Wochen nicht wieder sukzessive erhöht werden. Ich sehe das stattdessen als einen reinen taktischen Move, um der berechtigten Empörung zu begegnen. Was können Politik und oder Bundeskartellamt tun, um die Mineralölkonzerne zur Weitergabe der Steuersenkung zu bewegen?

Das Bundeskartellamt hat in den vergangenen Tagen immer wieder betont, dass es keine Preisbehörde sei. Es ist also nicht seine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Steuersenkungen weitergegeben werden. Die Behörde achtet lediglich darauf, ob die wenigen Marktanbieter (der deutsche Mineralölmarkt wird von fünf großen Konzernen beherrscht) illegale Preisabsprachen treffen oder ihre marktbeherrschenden Stellungen zum Nachteil der Verbraucher oder kleinerer Konkurrenten ausnutzen. Und während es für Außenstehende sicherlich so aussehen mag, als ob derartige Verstöße immer wieder vorliegen, hat das Kartellamt trotz jahrelanger Beobachtungen bislang keine eindeutigen Belege dafür vorlegen können. Natürlich wollen es die Mineralölkonzerne auch gar nicht erst soweit kommen lassen, zumal solche Vergehen empfindliche Strafen nach sich ziehen können. Auch deshalb erwarte ich ein gewisses Einlenken bei den Preisen in den kommenden Tagen.

Auch die Bundesregierung kann die Mineralölkonzerne nicht zur Weitergabe des Tankrabattes zwingen. Statt dessen könnte das Parlament beschließen, das Programm vorzeitig zu beenden. Allerdings wäre das ein peinliches Eingeständnis des Scheiterns (und nach den Erfahrungen mit der MwSt-Senkung kommt es ja nicht völlig überraschend, dass die Senkung einer indirekten Steuer nicht gänzlich an den Konsumenten weitergegeben wird). Eine andere Drohoption ist die Einführung einer sogenannten Windfall Tax, also einer Sondersteuer auf zufällige Krisengewinner, wie sie auch bereits in Großbritannien verabschiedet wurde. Dort zahlen Energiefirmen für die kommenden zwölf Monate eine zusätzliche Steuer in Höhe von 25%. Für den Konsumenten könnte eine solche Steuer allerdings eine nachteilige Wirkung haben, da die Mineralölkonzerne versuchen dürften, die Last an die Verbraucher weiterzugeben – in dem Fall auch gerne zu 100%.

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